Gaststätte Zur Linde

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Das moderne Dorf lebt vom Engagement der Dorfgemeinschaft. Vereine prägen ganz wesentlich die Kultur, den Sport, die Freizeit in einem Dorf. Das Dorf pflegt Traditionen des öffentlichen und privaten Feierns, der öffentlichen, politischen und privaten Rituale. All diese Aktivitäten benötigen öffentliche Räume. Ein solcher öffentlicher Raum ist die Gaststätte. Deshalb gehören historisch zur Geschichte des Dorfes di e Geschichte der Kirche, der Schule, der Gaststätte. Natürlich lag die Gaststätte in der Mitte des Dorfes. Ein Beispiel: Die Gaststätte „Zur Linde“. Der alte Gebäudebestand blickt auf eine 343jährige Geschichte zurück. Am 24. April 1677 endete die zweijährige Bauzeit . Der Balken über dem Eingangstor legt Zeugnis ab: 7. PSALM. DER HERR BEHÜTE DICH FÜR ALLEM ÜBEL. ER BEHÜTE DEINE SEELE. DER BEHÜTE DEINEN AUSGANG UND EINGANG. VON NUN AN BIS IN EWIGKEIT. HINRICH ASTROT UND ILSABEIN AUF DER BRÜGEN HABEN DIES HAUS ERBAUEN LASSEN. ANNO, DEN 24. APRIL 1677. Vom Erbauer des Hauses bis zur Nutzung und Weiterentwicklung durch Familie Ortmeyer hat es viele Wechsel der Besitzer gegeben. Gebäude und Funktion haben sich entwickelt, verändert, aber Bedeutung eines öffentlichen Raumes im Zentrum des Dorfes ist geblieben. Die Gründung: Das neue Haus von Hinrich Astrot und Ilsabein Auf der Brügen Die Geschichte des Besitzes reicht wahrscheinlich noch weiter zurück . Es war ein neues Haus, das 1677 fertig wurde, erstmals wird die Hofstelle bereits im Urbar der Grafschaft Ravensberg 1556 erwähnt. Der erste Besitzer Hinrich Astrot war wohl Kaufmann. Anders als die meisten Bewohner im Kirchspiel waren Astrot, seine Frau und Kinder persönlich frei. Pachtabgaben und Dienste schuldete er dem Meier zu Isselhorst. Seine Erbpachtstelle umfasste nur kleine Garten- und Wiesenflächen. Es ist anzunehmen, dass sich bereits seit dem 16. Jahrhundert auf dieser Erbpachtstelle ein „Landhandel“ entwickelt hatte. Von dem landwirtschaftlichen Ertrag der Erbpachtstelle allein eine Familie zu ernähren, dürfte wohl sehr schwierig gewesen sein. Unter dem Nachfolger auf der Erbpachtstelle wird der Handel beträchtlich ausgebaut. Das zeigt insbesondere die Errichtung des großen repräsentativen Hauses. Vielfältige Nutzung : Wohnen, Handel, Landwirtschaft Das neue Haus war zunächst Wohnhaus. Die Gestaltung mit einer Wohndiele und einem vorgelagerten Kammerfach, das einen mittleren Wohnraum und zwei seitliche Schlafräume mit mehreren Fenstern enthielt, bot eine große Wohnfläche mit bemerkenswerter Wohnqualität. Wie viele Bewohner das Haus damals hatte, wissen wir nicht. Außer der Familie gab es sicher Bedienstete, Knechte und Mägde. Das von Astrot errichtete Haus stellte einen erheblichen Wert dar. Es blieb an Größe und Ausstattung kaum hinter den reichen Bauernhäusern des Kirchspiels zurück. Bei der Gestaltung der Wohndiele hat sich Astrot wohl städtischen Gewohnheiten angepasst, das zeigen die zahlreichen bleigefassten kleinen Fensterscheiben. Heuerlingshäuser, also Mietkotten, hatten höchstens zwei verglaste Fenster. Hinrich Astrot muss also ein vermögender Mann gewesen sein. Er war wohl durch kaufmännisches Geschick und Handel reich geworden. Sein Haus war so etwas wie ein „Handelshaus“. Die meisten Bewohner Bielefelds waren zu ihrer Versorgung auf die Produkte des Umlandes angewiesen. Daraus ergab sich ein lebhafter Handel. Die Bielefelder benötigten vom Umland Lebensmittel und Haushaltswaren: Butter, Käse, Speck, Fleisch, Fisch, Wachs, Honig, Öl. Ferner Steinobst, Kastanien, Mehl, Graupen, Seife, Tabak, Leder, Flachs, Hanf, Eisen, Blei , Messing, Eisentöpfe, Pfannen . Der Kaufmann Astrot konnte nun die Produkte der Bauern in die Stadt liefern und von dort die auf dem Land erforderlichen Lebensmittel , Salz und Hering vor allem, sowie Haushalts- und landwirtschaftliche Gerätschaften zum Verkauf in seinem Laden mitbringen. Wahrscheinlich gab es auch schon eine Schankkonzession. Geschäfte wurden mit Schnaps besiegelt. Neben dem Wohnen und dem Handel diente das Haus der Landwirtschaft. Dem entsprechend gibt bis heute zwei gleich große Eingangstüren. Die erste, geschmückt mit kunstvollen Verzierungen, führte in den Verkaufs- und Wohnteil, die zweite, weniger aufwändig gestaltet, war das Tor zur Landwirtschafts -deele, hoch genug, um beladene Fuhrwerken und später auch Postkutschen Platz zu bieten. An dieser Deele lagen Pferde- und Kuhstall , später war der Schweinestell vorgelagert neben der Mistgrube. Zur repräsentativen Straßenseite des Hauses wurden viele kleine bleigefasste Fensterscheiben angebraucht, die den Verkaufs- und Schankraum bis zur Balkendecke erhellten. Hier entstand der Verkaufsladen. Heute dient der Verkaufstresen als Theke. Ursprünglich standen dort Waage, Kasse und Bonbongläser. In den Regalen lagerten Dosen mit Tee und Kaffee, in den Holzschubladen waren Zucker, Haferflocken, Salz und Mehl. Daneben gab es Kannen mit Essig und Öl. An einem Haken hingen spitze und eckige große und kleine Papiertüten, in die die Ware verpackt wurde. Darüber hinaus wurden landwirtschaftliche Bedarfsgüter angeboten: Seile, Melkschemel, Dreschflegel, Holzharken, Eimer, Düngemittel und Saatgut. Dazu verkaufte man Brot aus der eigenen Bäckerei. Die „Brüggenschenke“: Gasthaus und gelegentlich Schmugglertreffpunkt Um die Mitte des 18. Jahrhunderts wurde das Anwesen offensichtlich erstmals als Gast haus genutzt. Im Jahr 1752 erweiterten die Kaufleute nämlich ihr Geschäftshaus in größerem Maße. In dieser Zeit nahm der Reiseverkehr zu. Die Postkutsche von Berlin über Bielefeld hatte eine Nebenlinie über Rheda an den Niederrhein und verkehrte nun auch hier regelmäßig. Die Postkutsche nahm ihren Weg an der Isselhorster Kiriche und dem Meyerhof zu Isselhorst entlang, unter der Brede und über den Postdamm nach Gütersloh. Im Gasthaus , als dessen Name sich allmählich der Titel „ Brüggenschenke“ durchsetzte, kehrten die Reisegesellschaften ein. Die Herkunft des Namens ist umstritten. War es ein Bezug zur Lutterbrücke, denn das alte Lutterbett verlief durch den Garten des Gasthauses, war es ein Anklang an den Namen der Gründerin, Ilsabein von der Brüge? Schriftliche Dokumente liegen nicht vor. Reisende benötigten Übernachtungsmöglichkeite, die Pferde mussten gewechselt werden. Hatten die Reisenden ,die wenig Geld besaßen, ursprünglich wohl auf dem Flur am Ofen genächtigt, genauso wie der Kutscher und der Beifahrer, richteten die Wirtsleute nun die ehemaligen „Upkamern“ und die Hillen zu vier Schlafräumen her. Anstelle der Leitern baute man eine Treppe mit einer Galerie, die vor den Räumen herführte. Das vornehmste Gastzimmer besaß ein Fenster zum Schankraum, durch das der Gast dem unten schlafenden Kutscher rechtzeitig Anweisungen zurufen konnte. Die Geschichte der kommerziellen Gastlichkeit ist somit eng mit der Reisetätigkeit der Menschen verbunden. Herbergen entstanden entlang der überörtlichen Hauptverkehrswege, so auch in Isselhorst. Solche Gasthäuser waren gewissermaßen erste „Autobahnraststätten“. Die Fenster des umgebauten Hauses waren übrigens zum Teil vergittert. Inzwischen hatte sich nämlich die „Bank der Bauern und Landwirte“ hier niedergelassen. Deren Kundschaft war vielfältig. Dazu gehörten größere Firmen aus Bielefeld und Gütersloh. Aber auch Salzschmuggler wickelten ihre Geldgeschäfte hier ab. Zwischenzeitlich soll der Gasthof nämlich ein Treffpunkt von Schmugglern gewesen sein. Isselhorst, an der Grenze zur Herrschaft Rheda, zum Amt Reckenberg, zum Bistum Münster war ein idealer Standort für Menschen, die rasch die Herrschaftsgebiete wechseln mussten, um ihren Verfolgern zu entgehen. So erzählt man, dass die Standuhr im Schankraum an der Tür zur Gaststube vor Jahrhunderten von Schmugglern zurückgelassen worden sei, die rasch das Weite suchen mussten und niemals zurückgekehrt seien, um ihr Eigentum abzuholen. Das Gasthaus „Zur Linde“ Aus der „Brüggenschenke“ wurde im Laufe der Jahre das Gasthaus „Zur Linde“, wegen des Lindenbaumes vor der Eingangstür. Er hatte so weit ausladende Äste, dass in ihm Bretter mit Bänken befestigt wurden. Dort nahmen zur Isselhorster Kirmes die Musikanten Platz. Auch bei den jungen Leuten war der Hochsitz in der Linde beliebt. Der Baum zerbrach im Jahre 1940 bei einem Sturm. Im 19. Jahrhundert und während der Zeit des Nationalsozialismus war der Gasthof „Zur Linde“ ein Treffpunkt der Studenten aus Münster. Sie waren Mitglieder von „schlagenden Verbindungen“. Da ihnen damals das Fechten polizeilich verboten war, übten sie heimlich auf dem Kornboden des Gasthauses aus. Familie Ortmeyer. Die „Brüggenschenke“ blieb über Jahrhunderte im Familienbesitz, wechselte jedoch öfter den Namen. Der Name Ortmeyer geht zurück auf den Tabakfabrikanten Heinrich Wilhelm Ortmeyer, geboren 1803 in Spradow. Der Bäckermeister Heinrich Ortmeyer vererbte den Besitz an Gustav Karl Heinrich Ortmeier (1882-1948). Dieser war zunächst Lehrer an der Schule in Holtkamp. Da sein Bruder früh verstarb, übernahm er das elterliche Geschäft. Seit den 1870er Jahren heißt der Gasthof Ortmeyer. Er und seine Frau vererbten die Gastwirtschaft an Rolf Ortmeyer Senior und dessen Frau Anneliese. Rolf Ortmeyer kam im Dezember 1949 aus 6-jähriger Kriegsgefangenschaft aus der früheren Sowjetunion zurück und übernahm das Geschäft. Das größere Gasthaus und ein Lebensmittel-Feinkost-Laden. Das Haus und das Geschäft wurden weiterentwickelt. 1957/58 verlegte Familie Ortmeyer den Verkaufsladen von der Gaststube in den früheren landwirtschaftlichen Teil, die Deele. Das Geschäft verkaufte Backwaren, Feinkost und Lebensmittel, frisches Gemüse und – für die damalige Zeit fortschrittlich – Tiefkühlkost. Damals gab es im Dorf mehr als 20 kleinere Läden dieser Art. 1998 wurde das Geschäft aufgegeben, „Super- märkte“ waren der Trend der Zeit. Langfristig prägend war die Erweiterung des Gebäudes. 1966 ließ Familie Ortmeyer einen Saal mit Kaminzimmer anbauen. Damit konnten im Gasthaus größere Veranstaltungen stattfinden, sowohl private Feiern als auch öffentliche, wie Vereinstreffen oder politische Veranstaltungen. Saal und Kaminzimmer spiegeln das Typische für die sog. „gut-bürgerliche“ Gastronomie: Sie weist eine wohnliche Einrichtung auf, nach dem Geschmack der Eigentümer. Hier am Kamin traf sich z.B. Rektor Struckmeier zu seinen heimatkundlichen Veranstaltungen. Vom Thekengasthaus zur Erlebnisgastronomie 1978 stieg Sohn Rolf Jun. gemeinsam mit seiner Frau Gerda als Geschäftsführer ein. Die Gastronomie erlebte in den Folgejahren eine grundlegende Veränderung, in denen sich gesellschaftliche Veränderungen spiegeln. In den 60er und 70er Jahren lebte das Gasthaus ganz wesentlich von kleinen Familienfeiern und vor allem vom Thekengeschäft. Nach Feierabend , nach dem Kirchenbesuch, nach dem Sport, nach der Vereinssitzung , nach dem Ferkelverkauf auf der Kirmes trafen sich Isselhorster, es waren vornehmlich Männer, an der Theke. Das klassische Getränk: Bier und Korn. Die Theke als Informationsbörse des Dorfes. In der ersten Zeit gab es nur kleine Essensangebot. Die „Klassiker“ der Speisekarte: Schinkenbrote, Heißwürstchen, Bratkartoffeln. Es war unüblich, in größerem Stil außerhalb des eigenen Hauses zu essen. Nach dem Bier ging man nach Hause. Ende der 80er Jahre setzt eine neue Entwicklung ein, die neue Speisekarte gibt Auskunft: Das umfangreiche Essen im Familien- oder Freundeskreis wird zur neuen Freizeitaktivität, als Erlebnis mit Spaß und Geselligkeit. Die private Sphäre des häuslichen Esszimmers wird verlassen. Hinzu kommt das Angebot des Mittagstisches. In Dienstleistungsberufen ist der „Henkelmann“ unüblich. Ferner: Die Außengastronomie gewinnt an Bedeutung, Radler treffen sich unter der Linde. Diese Änderungen des Nachfrageverhaltens der Kundschaft erforderten Veränderungen der betrieblichen Organisation: Die Küche wird ausgebaut, die Bedienung wird professionalisiert, Familienmitglieder als Bedienung reichen nicht mehr aus. Speisekarten ändern sich in immer kürzeren Abständen. Dabei bleibt eine Konstante: es werden regionale Produkte und Spezialitäten angeboten. Die Kundschaft wird überregionaler, sie orientiert sich an der Besonderheit des „historischen Gasthauses“ und der Spezialität des Angebots. Voraussetzung für die größere Bekanntheit: neue Formen der Werbung, durch gezielte Flyeraktionen oder historisch gestaltete Feierlichkeiten als neues Format. Neu auch ein weiteres Angebot: das Feuerwehrmuseum. Die Räume des ehemaligen Lebensmittelladens wurden im Mai 1999 zum Feuerwehrmuseum, das auch als Museumscafe genutzt werden kann. Der Hintergrund: Alle Gastwirte der „Linde“ waren seit der Gründung der Isselhorster Feuerwehr aktive Wehrmänner. Und die Zukunft? Tochter Ellen wird gemeinsam mit ihrem Mann Ralf Hentschel die Nachfolge antreten, das Gasthaus bleibt im Familienbesitz, die Tradition wird fortgesetzt. Das bedeutet: das historische Ambiente wird gepflegt. Die bodenständige regionale westfälische Küche wird auch in Zukunft betont. Gleichzeitig erhält das vegetarische oder vegane Angebot ein größeres Gewicht. Das Alte bewahren, neue gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigen, das ist die Herausforderung. Das Gasthaus und das Dorf Über die Generationswechsel hinweg hat das Gasthaus Funktionen behalten, die für eine Dorfgemeinschaft wichtig sind. Das Gasthaus ist Vereinslokal, das Haus ist der Ort vielfältiger familiärer Festlichkeiten, ist der Ort für Dorfgemeinschaftsfeste wie die Kirmes. Frühere Funktionen, die des Handels, der Landwirtschaft und vor allem auch der „Herberge“ wurden aufgegeben. Neben den klassischen Funktionen eines Gastronomiebetriebs kam und kommt eine zentrale Funktion hinzu: Raum für Dorfgemeinschaftstreffen anzubieten. Dörfer ändern sich: Dörfer verlieren ihre politische Eigenständigkeit und damit einen Teil ihrer Gestaltungsaufgaben, die Identität von Dorf und politischer Gemeinde besteht nicht mehr, Fragen der Dorfentwicklung werden zunehmend in anderen Organisationsformen, z.B. im Rahmen eines Dorf- und Heimat-vereins , diskutiert. Das Engagement in der Dorfgemeinschaft wird zentral sein für den Erhalt der dörflichen Identität. Dazu bedarf es öffentlicher Räume, die solche Aktivitäten unterstützen: Ein Ort ist das dörfliche Gasthaus. Siegfried Bethlehem Literatur, Quellen: Renate Plöger, 325 Jahre Gasthof „Zur Linde“. Isselhorster Geschichte(n) im Spiegel des Gasthauses. Archiv, Dorf- und Heimatverein Isselhorst. Dies., Im Dorfleben fest verankert. Gasthof „Zur Linde“: Älteste Gaststätte weit und breit. In: Kirchspiel Isselhorst. Wie es wurde, was es ist. Ein Rückblick auf 950 Jahre Geschichte im Kirchspiel, Gütersloh 2000, S. 164ff. Interview mit Rolf Ortmeyer im April 2020. Stand 19.5.2020

Kirchspiel Isselhorst. Wie es wurde, was es ist. Ein Rückblick auf 950 Jahre Geschichte im Kirchspiel. Detmold 2000, S. 164ff.

25 km ist „unsere“ Lutter lang: Sie entspringt in Bielefeld-Brackwede, bei den Bombergen südlich von Harsewinkel mündet sie in die Ems. Deshalb wird diese Lutter auch Ems-Lutter genannt, im Unterschied zur Weser-Lutter. Von Brackwede und Ummeln kommend führt die Lutter durch Isselhorst, Niehorst und Blankenhagen, fließt durch das Naturschutzgebiet Hühnermoor, unterquert die Bundesstraße 513 und mündet schließlich in die Ems.

Die Quellen zur Ems-Lutter liegen am Böschungsfuß des Ostwestfalendamms, im sog. Lutterkolk. Das Besondere: Die Lutter ist in zwei Wasserläufe geteilt. Im Jahre 1452 wurde die sog. Bielefelder Lutter kurz hinter der Quelle von der Gütersloher Lutter abgegraben und in einem künstlich hergestellten Bachbett östlich umgeleitet. Diese Ableitung sicherte viele Jahrhunderte lang die Wasserversorgung in Bielefeld. Diese Lutter mündet in die Weser, deshalb die Bezeichnung „Weser-Lutter“.

Dass das Quellwasser besonders sauber war, spiegelt sich im Namen: „Lutter“ geht wohl auf das mittelhoch- deutsche Wort „lauter“ zurück, das so viel wie „hell, rein, sauber“ bedeutet. Schon für das Jahr 1002 wird eine „Luthera“ erwähnt, abgeleitet von „Lauterbach“, klarer Bach.

In früheren Jahrhunderten lebten in der Lutter Krebse und Fische. Die Menschen verkauften ihren Fischfang auf dem Markt in Bielefeld. Eine weitere wichtige Funktion des Flusses: Die Lutter trieb Mühlen an, im Bereich Isselhorst waren das Sundermanns Mühle und die Mühle des Meierhofes.

Flussbett und –verlauf der Lutter änderten sich im Laufe der Zeit. Die Lutter suchte sich den Weg durch die Pfarrwiesen, heute das Wohngebiet des Pastorengartens, weiter durch Schürmanns Garten und von dort zum Lutterwald. Die Folge: Es kam zu mehreren schweren Hochwassern. Die stärksten Überflutungen verursachten die Hochwasser von 1891 und 1946. Die Dorfstraße wurde überströmt, das Wasser stand 50cm hoch.

Vor allem im Zuge der Industrialisierung wurde das Lutterwasser erheblich verunreinigt, Einleitungen von Firmen und durch Hauswasseranschlüsse belasteten das Gewässer. Wesentliche Besserungen traten durch den Bau des Klärwerks Obere Lutter (1967) ein.

Februar 1946. Haller Straße: Überschwemmung der Lutter. Links die Villa Schürmann, rechts Elmendorf/heute Manufaktur

Mühle Mumprow. Im 19. Jahrhundert gab es bis zu 12 Mühlen entlang der Lutter.

Dr. Siegfried Bethlehem , 8.8.21.

Rolf Ortmeyer jun.

Schon im Jahre 1002 wird die “Luthera” erwähnt, und zwar als Gren­ze des Forstbannes des Paderborner Bischofs. Ihr Name wurde wohl vom Lauterbach (Lauterbach) – klarer Bach – abgeleitet.’

Während alle Bäche westwärts fließen, macht der sagenumwobene Lauterbach eine Ausnahme. Die Lutter entspringt in Brackwede, im sogenannten Lutterkolk und sie wurde schon vor Jahrhunderten hier in zwei Wasserläufe geteilt, der eine fließt in einem im Jahre 1452, künstlich hergestellten Bachbett östlich nach Bielefeld und heißt “Weserlutter”, und der andere nimmt durch die Orte Brackwede, Quel­le, Ummeln, Isselhorst, Niehorst, Blankenhagen und Harsewinkel seinen Weg zur Ems und heißt darum auch “Emslutter”. Unsere Vorfahren fingen früher Fische und Krebse in der Lutter und brachten sie nach Bielefeld oder sogar bis Minden auf den Markt um sie zu ver­kaufen. Ebenso trieb die Lutter, Sundermanns Mühle und die des Meierhofes und früher auch eine alte Brukemühle = Brechmühle – Bokemühle (heute Bokemühlenfeld) auf dem Haverkamp an. Der  Mei­erhof hat schon vor Jahrhunderten den Lauf des Flusses durch künst­lich erhöhte Ufer auf seine Mühle zugelenkt.

In alten Unterlagen finden wir geschrieben, daß die Lutter früher durch die Pfarrwiesen, heute Pastorengarten, weiter durch Schür­manns Garten, auf den heutigen Lutterwald zulief. Auch heute noch verläuft hinter Ortmeyers ein Graben, der bei Schürmanns in einen großen Teich läuft und dann wieder durch Ortmeiers Garten. Nach einem tragischen Unfall 1912, bei dem die Tochter des Gastwirtes er­trank, wurde dieser Teil verrohrt. Von hier aus läuft er weiter nach Elmendorf in den heutigen Dorfgraben, um dann weiter auf die Lut­ter zuzufließen. Wenn die Lutter viel Wasser führt, wird dieser Gra­ben in der Höhe von Neumann aus von ihr gespeist. Schon im Win­ter 1891 bereitete der Fluß der Gemeinde große Sorgen, denn es kam zu einem der schweren Hochwasser, von dem die alten Isselhorster noch heute sprechen. Bei dieser Katastrophe wurden viele Vorräte, Fel­der und Gartenerträge, Gebäude und Einrichtungen vernichtet. Wei­tere große Hochwasser gab es im August 1939, Februar 1946, März 1947, Januar 1948 und Februar 1968.

Die stärksten Überflutungen der Ortschaft verursachten die Hoch­wasser von 1891 und 1946. Beim 46er zum Beispiel, standen die Erd­geschoßräume der Gastwirtschaft Ortmeyer über 60 cm unter Was­ser. Die Dorfstraße wurde überströmt und im ganzen Dorf stand das Wasser über 50 cm hoch. Dieses Hochwasser vom 9. Februar 1946 begann bereits am Mädchenheim in Ummeln auszuufern. Zwischen der Ravensberger Bleiche und der Mühle Sundermann in Isselhorst breitete sich das Wasser auch über das linke Ufer aus, und bahnte sich seinen Weg Richtung Lückner auf den Reiherbach zu, der ebenfalls schon überflutet war. Weiter verlief die Flut über die Straße von Is­selhorst nach Friedrichsdorf und die Bielefelder Straße Richtung Haller Straße, über den Brinkhof zur Lutter zurück. Auf dem rechten Lutterufer begannen die größeren Auswirkungen hinter Sundermanns Mühle auf die Besitzung Stricker zu, bei Kollhörster über die Brücke, bis hin zum heutigen Gemeindehaus und Richtung Schürmann ins Dorf hinein. Nach diesen schweren Überschwemmungen wurde dann von der Gemeinde das Lutterbett begradigt und die Uferböschungen erhöht. Die alte Holzbrücke bei Kollhörster, die in der Mitte durch Holzstützen getragen wurde; wodurch sich Holz und anderer LTkrat aufstaute; verlegte man und erbaute sie neu aus Beton.

Erst im Februar 1968, also vor 30 Jahren, hatten wir nach einem sehr starken Winter mit viel Schneefall und plötzlich einsetzendem Tau­wetter wieder ein Übertreten der Lutter. Das Wasser machte sich diesmal auf der Hofstelle Göwert in Richtung Reiherbach und Mum­perow breit.

Der Hof Göwert wurde, bis auf einen Schweinestall, von dem Was­ser verschont. Die Schlachterei Osthus und an der Isselhorster Str liegende Häuser mußten von der Feuerwehr ausgepumpt werden. Auch alle tieferliegenden Häuser Richtung Kirche wurden in Mitleiden­schaft gezogen.

In normalen Zeiten ist unsere Lutter ein nützlicher und friedlich da­hin fließender Fluß und jeder echte Isselhorster ist in seinem Leben schon einmal in die Lutter gefallen.

Zur Zeit der großen Bleiche bei Windel und durch die Hähnchen­schlachtereien bis in die 70er Jahre wurde die Lutter leider sehr ver­unreinigt. Auch die meisten Hauswasseranschlüsse wurden in den Bach geleitet. Erst als das Klärwerk Obere Lutter im November 1967errichtet wurde, (1965 Baubeginn), konnte man einige Jahre spä­ter wieder auf den Grund schauen und auch vereinzelt wieder Fische schwimmen sehen. Heute im Jahr 1998 haben wir in Isselhorst sogar, außer Enten, Fischreihern, Fischen und kleinen Krebsen auch wieder Eisvögel an unserem Lutterbach.

(Archiv Rolf Ortmeyer)

Stand 20.08.2021